Ortsteil Aglasterhausen
Aglasterhausen - von der Landgemeinde zur Mittelpunktgemeinde des „Kleinen Odenwaldes“
Aglasterhausen (abgeleitet vom althochdeutschen agilastra = Elster) wird bereits im Jahre 1143 in einer Urkunde des Bischofs Burkhard zu Worms erwähnt, in der dieser die Vertauschung eines dem Stift Odenheim gehörigen Waldes bei Mühlhausen gegen ein Gut in Aglasterhausen genehmigt.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass auf dem Gebiet des „Kleinen Odenwaldes“ schon viel früher Ansiedlungen bestanden. So beweisen Werkzeugfunde aus Daudenzell, dass bereits 2000 v. Chr. in unserer Gegend Landwirtschaft betrieben wurde. Und auch die Entdeckung eines alten Grabhügels aus der Eisenzeit - der sogenannten Hallsattperiode um 800-500 v. Chr. - auf dem heutigen Gebiet des Ortsteils Breitenbronn bekräftigt dies.
Im ersten Jahrhundert v. Chr. besiegten die eindringenden Germanen die in der Region lebenden Kelten und errichteten ihre Siedlungen. Mit der Besetzung des Oberen Neckartals durch die Römer in der Zeit von 50-70 n. Chr. mussten sich auch die Germanen geschlagen geben. Die Römer sorgten mit dem Bau des Limes und ihren Verbindungsstraßen in den darauffolgenden 200 Jahren für eine dichtere Besiedelung der Region.
Als die Alemannen im Jahre 255 n. Chr. den Limes überschritten, mussten sich auch die Römer zurückziehen und ihre Vorherrschaft im Odenwald aufgeben. Die Gründungen einiger Dörfer in unserer Region fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit in diese Zeit. So lässt z.B. der Ortsname Breitenbronn darauf schließen, dass es sich hierbei um eine alemannische Siedlung gehandelt haben muss.
Nachdem im Jahre 496 n. Chr. die von Norden und Westen hereinströmenden Franken unter Chlodwig die Alemannen vertrieben hatten, ließen sie sich nieder, gründeten Siedlungen und verschmolzen im Laufe der Jahrhunderte mit der zurückgebliebenen Bevölkerung.
Über die Gründung des Dorfes Aglasterhausen ist nichts Näheres bekannt, es lässt sich aber vermuten, dass es sich hierbei um eine übliche Dorfentstehung handelte, bei der einzelne umfriedete, bäuerliche Gehöfte zusammenwuchsen und sich mit einem Bannzaun umgaben.
Aglasterhausen hatte schon seit Mitte des 12. Jahrhunderts nachweisbar eigenen Adel. In den Urkunden des Klosters Schönau erschienen 1224 Markolf von Agileisternwilre und Arnold von Agileisternhusen. Die Mutter Arnolds war die Witwe Markolfs von Kirchheim, sodass angenommen werden kann, dass das alte Geschlecht von Kirchheim den Ort zu Lehen trug oder als eigenen Besitz hatte.
Später werden auch Schwigger, Arnold und Beringer Edle von Agilesternhusen genannt. Das Patronatsrecht besaßen die Herren von Horneck. Die Brüder Wernherr und Konrat von Horneck schenkten mit einer Urkunde vom 27. Mai 1254 diese Rechte zusammen mit denen von Helmstadt dem Stift Wimpfen. In der Folge trugen die Dynastien von Hirschhorn Aglasterhausen von den Bischöfen von Worms zu Lehen. Johann von Hirschhorn verpfändet den Ort 1416 an die Kurpfalz.
Die im Jahre 1530 durchgeführte Reformation durch Ritter Hans IX von Hirschhorn änderte zwischen dem Lehensgeber und dem Lehensnehmer nichts, sodass weiterhin die hohe Gerichtsbarkeit beim Pfalzgrafen und Kurfürsten verblieb und die Ritter von Hirschhorn, im Auftrag des Bistums Worms, die Dorfherrschaft in Aglasterhausen ausübten. Mit dem Tod des Ritter Friedrich von Hirschhorn im September 1632 erlosch die männliche Linie der von Hirschhorn und das Lehen fiel wieder an den Bischof von Worms zurück. Infolgedessen wechselte die Dorfherrschaft in Aglasterhausen immer wieder, zuerst an das Haus Ehrenberg bei Heinsheim bis auch diese männliche Linie im Jahr 1654 ausstarb und danach an Graf Johann Anton Cratz von Scharfenstein. 1718 starb auch diese männliche Linie aus. Mit dem Erlöschen der Grafenfamilie von Scharfenstein ließ der Wormser Bischof das Lehen durch einen Amtsmann verwalten, der seinen Sitz auf der Burg Ehrenberg einnahm.
Der Tod des Pfalzgrafen Carl Theodors im Jahre 1799 stellte das Ende der Pfalzgrafenschaft dar und auch die Verwaltung durch das Bistum Worms endete mit der Säkularisierung 1803. Aglasterhausen wechselte zum Großherzogtum Baden und trat 1809 dem neugegründeten Odenwaldkreis mit dem Kreissitz in Mosbach bei.
Im Zuge des Baus der ersten Straßen in Aglasterhausen in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts gewann Aglasterhausen schnell an Größe. An der neuen Straße wurden Höfe gegründet und Gast- und Beherbergungsstätten, Bäcker, Metzger, Schmiede, Wagner und Sattler ließen sich nieder. Konnte man 1723 noch 203 Einwohner zählen, so stieg die Zahl im Jahr 1820 schon auf 681 Einwohner und im Jahr 1850 auf 1.004 Einwohner.
Mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Heidelberg nach Würzburg, die Aglasterhausen berührte, wurde immer mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt. Viele Geschäfte mussten schließen und die Arbeitslosenzahlen in Aglasterhausen stiegen an.
Abhilfe schafften hier zwei Söhne des Dorfes. Georg Michael Weidenhammer (1838-1912) gründete eine Peitschenfabrik, die im Jahre 1891 bereits 100 Beschäftigte aufwies und Ludwig Rüdinger (1841-1914) gründete eine Ziegelei, die 1891 bereits 32 Personen beschäftigte.
Der Betrieb der Ziegelei machte es erforderlich, dass eine Dampfmaschine die benötigte Hitze zum Brennen des Tons produzierte. Sie lieferte auch elektrischen Strom und ermöglichte es 1910, dass die Nachbargebäude der Ziegelei mit Strom versorgt wurden.
Der Ziegeleibetrieb ging 1920 an die Familie Mall und 1923 an die Familie Bott über. Nach einem verheerenden Brand im Jahre 1931 folgte ein Wiederaufbau. Bis zur überraschenden Schließung im Jahre 1968 beschäftigte die Ziegelei in guten Jahren bis zu 120 Beschäftigte.
Mit der Eingemeindung der Orte Breitenbronn (01.03.1972), Daudenzell (01.01.1975) und Michelbach (01.02.1974) im Zuge der Gemeindereform in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wuchs die Gesamtgemeinde immer weiter. Durch das Gewerbegebiet „Oberes Tal“ konnten Gewerbebetriebe und Lebensmittelketten nach Aglasterhausen gelockt werden. Die gute Anbindung mit der S-Bahn-Linie S51 nach Heidelberg und die direkt an Aglasterhausen vorbeiführende Bundesstraße B292 sorgen heute dafür, dass Aglasterhausen sich zur Mittelpunktgemeinde des Kleinen Odenwalds entwickelt hat.
Quelle:
Aglasterhausen – Geschichte einer Landgemeinde; Otto Kissel, ISBN 3-89570-641-8